Die Nebbiolotraube zählt zu den ältesten und anspruchsvollsten Rebsorten.
Wer Nebbiolo hört, denkt reflexartig an Barolo – einen der grossartigsten Weine, die es gibt
Doch bis dieser verführerisch im Glas funkeln kann, braucht es so einiges. Denn die Nebbiolo gehört zu den anspruchsvollsten Rebsorten der Welt.
Sie fordert alles: ausgewählte Spitzenlagen, sorgfältigste Kultivierung, streng begrenzte Erträge, tadelloses Wetter und natürlich engagierte Winzer mit viel Fingerspitzengefühl. Wenn all diese Bedingungen stimmen, läuft sie zu Höchstform auf und bringt unglaublich charaktervolle, tanninreiche und langlebige Weine von hinreissender Ausdruckskraft hervor. Neben der piemontesischen Appellation Barolo – dem Nonplusultra für die Sorte – produziert auch die benachbarte Appellation Barbaresco Spitzenweine aus Nebbiolo.
Die Nebbiolo, unter zahlreichen Synonymen wie Barbesino, Chiavennasca, Spanna, Picotener oder Prünent angebaut, gehört zu den ältesten bekannten Sorten überhaupt. Erstmals erwähnt wurde sie unter dem Namen Nibiol im Jahr 1266. Sie stammt ohne jeden Zweifel aus dem Piemont, aus der Gegend von Alba, wo bis heute ihr Hauptanbaugebiet liegt. Trotz genetischer Untersuchungen konnten ihre Eltern nicht aufgespürt werden. Forscher gehen deshalb davon aus, dass die beiden Elternteile ausgestorben sind.
Der Name Nebbiolo (von «nebbia» = Nebel) verweist auf die Nebelschleier, die Ende Oktober, wenn die Nebbiolotrauben endlich reif sind, die pittoresken Hügel rund um Alba einhüllen. Und auf den weisslichen Belag, der sich kurz vor der Ernte auf den Häuten der reifen Beeren bildet.
Die Nebbiolo treibt früh aus, was sie anfällig macht für Spätfröste. Empfindlich reagiert sie auch auf Echten Mehltau und in feuchten Herbsttagen auf Graufäule; regnet es während der Rebblüte, neigt sie zum Verrieseln. Am wohlsten fühlt sie sich auf kalkreichen Mergelböden, zudem verlangt sie nach steilen Süd- und Südwesthängen, damit sie voll ausreifen kann. Nur wenige Sorten reifen so langsam und so spät wie Nebbiolo (rund 30 Tage nach dem Chasselas). Die walzenförmigen, grossen Trauben bestehen aus kleinen, fast blauschwarzen Beeren mit mit feinen, resistenten Häuten.
Die aus Nebbiolo gekelterten Weine bieten Extrakt, Tannin und Säure im Überfluss, die durch gekonnten Ausbau (traditionell im Fuder aus slawonischer Eiche) gebändigt und durch lange Lagerzeit verfeinert werden müssen. Belohnt wird man dafür mit Weinpersönlichkeiten von grosser Ausdruckskraft, die nach Veilchen, Brombeeren und bisweilen sogar nach Trüffeln duften und in ihrer Komplexität und Tiefgründigkeit an grosse Rotweine aus dem Burgund erinnern.
Die kapriziöse Nebbiolo gedeiht fast ausschliesslich im nördlichen Italien, in den Langhe und im Roero. Zu Geheimtipps unter den Nebbiolo-Weinen gehören die nordpiemontesischen DOC und DOCG aus Ghemme, Gattinara, Bocca und Carema sowie aus dem lombardischen Veltlin. Im Veltlin bringt die Chiavennasca genannte Nebbiolo in kleinen, von Steinmauern gestützten Parzellen an Steilhängen sehr finessenreiche Gewächse hervor.